Surreale Reise V

Ich sitze in der Provinz und sehne mich in die Welt hinaus.

Aus einer Stoffserviette und Zahnstochern bastele ich mir einen handgroßen Drachen. Ich klebe ihm ein Gesicht auf, weiß aber nicht worüber ich mit ihm reden soll und löse es deshalb wieder ab. Ich gehe vor die Tür, nehme den Drachen fest in die Hand und will mit ihm fliegen. Leider ist er wohl zu klein geraten.

Ich denke mir also einen außergewöhnlich starken Wind und mit ein bisschen Fantasie hebe ich auch schon ab.

Sanft werde ich über die Baumwipfel der Wälder getragen und lasse den Wind die Richtung bestimmen. Während ich so dahinfliege übe ich an der Schnur des Drachen verschiedene Schiffsknoten.

Kurz darauf lässt der Wind etwas nach und ich gleite behutsam zu Boden. Ich lande mitten im Wald auf dem Dach eines Tagungszentrums und da ich nun schon mal da bin entschließe ich mich auch gleich ein Wochenendseminar anzubieten.

Folgendes Programm melde ich bei der Leitung des Komplexes an:

Fr, 14-16 Uhr:

Holzspielzeug. Qualitätskriterien und Produktionsmechanismen in der EU.

Fr, 16-17 Uhr:

Kaffeepause

Fr, 17-20 Uhr:

Thematischer Häkelkurs “Albanische Reisebestimmungen”

Sa, 10-13 Uhr:

Die türkische Hochzeit. Planung und Gestaltung.

Sa, 13-14 Uhr:

Mittagspause.

Sa, 14-16 Uhr:

Die Latschenkiefer und ihre Bedeutung in der Diplomatie.

Nach der Kaffeepause am Samstag endet das Seminar und ich habe etwa 40 Teilnehmer aus allen Bereichen der Industrie und Dienstleistung in ihrem Leben bereichert.

Ich denke kurz an Rainald Grebe zurück und lasse mich von einem Taxi zu nächsten Stadt bringen.

Es ist Ulaanbaatar. Ich freue mich, denn schon immer wollte Mongolei besuchen. Ich bin tolerant und aufgeschlossen, daher versuche ich mich sogleich den hiesigen Umständen anzupassen und bastele aus den Resten meiner Serviette, die teilweise noch in Drachenform ist, eine traditionelle Jurte der Nomaden dort.

Ich kaufe noch schnell ein paar Vorräte für den Winter und baue dann in der Steppe meine Behausung auf, nachdem ich die Stadt vollbepackt wieder verlassen habe.

An Phantasie mangelt es mir nicht und daher kann meine Jurte natürlich auch fliegen. Ich entscheide mich für einen Flug zum Pazifik, da mich die Inseln und Atolle dort von je her fasziniert haben.

Nach 5 Minuten Flug lande ich auf einem unberührten Eiland und scheide sofort große Löcher in die Außenhaut der Jurte um mich den tropischen Temperaturen anzupassen. Ich laufe zum Strand und bade ausgiebig in der azurblauen Lagune, die meine kleine Insel umgibt.

Ich probiere einige der mir unbekannten Früchte der Insel und baue meine Jurte dann frisch gestärkt zu einem Boot um.

Blöd natürlich das ich vorhin erst Löcher in die Außenhaut geschnitten habe, doch gedankenverloren wie ich manchmal bin fällt es mir erst auf als ich schon auf hoher See bin.

Ich bin leider weit ab von festem Land und muss mir daher etwas einfallen lassen um der Situation zu entkommen.

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Das Boot läuft also voll Wasser schnelles Handeln ist gefragt. Kurzer Hand baue ich aus einer Zeltstrebe eine Angel und fange 6 bis 8 Fische.

Sie sind zuvorkommend und freundlich, daher ist es kein Problem mir einige Schuppen leihen um damit die Löcher zu stopfen.

Nachdem mein Boot nun wieder hochseetauglich ist setze ich Kurs auf den Nordpol. Nun ist der Weg dorthin natürlich weit aber da ich in der Jurte ja extra Proviant für den langen mongolischen Winter gehamstert habe, bin ich guten Mutes.

Ich schippere also an der kanadischen Küste entlang und nähere mich Alaska.

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Das dort oben ist mein Blick in Richtung Norden, stehend auf meinem Boot. Das Bild sieht deshalb etwas unnatürlich aus, weil ich es mit meinem Handy geschossen habe; aber es ist der Beweis für meine abenteuerliche Fahrt!

Als ich nach 2 Tagen endlich nördlich an Alaska “stoße” stelle ich fest, dass ich erst noch viel weiter gen Westen muss und entscheide mich dann zwischen Chelan Bank und Sanak Reef in die weiteren nördlichen Gefilde einzudringen. Darauf entscheide ich mich für einen Kurs hart gen Norden durch das tückische Bering Meer.

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Hier oben seht ihr meine Route, die ich entlang gepaddelt bin. Ich kann sie deshalb so genau nachzeichnen, weil ich mir noch direkt auf dem Meer(etwa in Höhe San Francisco) die neue Jamba!-Handyortung gekauft habe. Natürlich im Spar-Abo.

Und nun befinde ich mich also mitten im Polarmeer, im Nordpolarmeer. Ich mache eine Pause und entspanne meine Arme eine Weile vom paddeln. Ich genieße die Stille der Pols und betrachte, wie die Erde rund um mich zur Kugel abfällt.

Schließlich mache ich mir einen außerordentlich starken Grog und nehme Kurs auf Spitzbergen in der Hoffnung noch nördlicher als Spitzbergen das sagenumwobene Nordland zu finden. Da ich mir meinem Boot auf dem Pool stehe fahre ich also erst einmal nach Süden. Ich kann es nicht fassen: Schon nach wenigen Stunden treffe ich auf Land, obwohl ich noch weit nördlich von Spitzbergen oder Franz-Josef-Land bin.

Ich legte an und zwar zu meinem eigenen Erstaunen an einem prächtigen Steg. Ich machte mir so meine Gedanken um das Land und ob ich mich vielleicht doch verirrt hatte trotz Jamba!-Handy-Ortung und ungeteilter Aufmerksamkeit.

Jedenfalls machte ich mich zu Fuß auf den Weg ins Innere der Insel, die erstaunlicherweise bewachsen, grün und nur stellenweise verschneit war.

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Schließlich wurde ich eines prächtigen Palastes ansichtig. Sogleich wurde ich von Wachen vorgelassen und dem König vorgeführt.

Es stellte sich heraus, dass ich tatsächlich im sagenumwobenen Thule gelandet war. Da ich nun schon einmal da war, blieb ich zum Essen und zur Freude des Königs laß ich ihm “Es war ein König in Thule” von Goethe vor. Handyempfang hatte ich nicht auf Thule aber ich ich hatte noch eine Taschenausgabe von Faust dabei.

Ich blieb so noch bis zum Einbruch des Winters und flog dann mit meiner Jurte nach Hause zurück.

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Das ist das Schoss des Königs in Thule. Irgendwie erinnert es mich noch immer an etwas…

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